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VON JULIA MEYER–BREHM
In Zeiten der Krise ist die Kultur oft das Erste, woran gespart wird. Diese Entwicklung ist in den letzten Monaten eindrucksvoll in Berlin zu beobachten: Die Sparmaßnahmen des Senats treffen vor allem die freien Künstler:innen. Deshalb widmen sie sich in der zweiten Ausgabe der Ausstellungsreihe fight or flight genau dem, was für ihre Arbeit und ihren Lebensunterhalt unerlässlich ist – und gleichzeitig am meisten fehlt: dem Geld.

Kuratiert von Julie Legouez und Evelina Reiter, versammelt die Schau insgesamt 33 künstlerische Positionen. Sie erzählen von Lebensrealitäten, in denen kreatives Schaffen nicht losgelöst ist von ökonomischem Druck. Im Fokus steht der Alltag im Kunstbetrieb. Die Arbeiten entzaubern den Mythos dieses Arbeitsfeldes und zeigen die oft harte Realität dahinter. Sie thematisieren Klassismus, Marginalisierung und biografische Prägungen, die Chancen und Sichtbarkeit maßgeblich beeinflussen. Die Spannbreite reicht von Jobcenter bis Luxusgüter, von abgelehnten Förderanträgen bis zu skrupellosen Vermietern. Die Arbeiten kreisen um Statussymbole, Gewalt und Moral, Bürokratie und Glücksspiel, Ernährung und Eigenheim, Sparfuchs und Glücksschwein. Immer wieder wird deutlich: Der Künstler:innenberuf allein reicht oft nicht aus, um das eigene Leben zu finanzieren – viele arbeiten parallel in anderen Bereichen, etwa in der Pflege.

Kurz: fight or flight II ist eine emotionale Achterbahnfahrt zwischen Euphorie und Erschöpfung. Facettenreich visualisieren die teilnehmenden Künstler:innen die Komplexität eines Systems, das Kreativität fordert, aber kaum absichert. Die Werke behandeln den Kampf um Raum – buchstäblich wie symbolisch: Wohnungsnot, steigende Mieten, fehlende Förderstrukturen und die Stigmatisierung staatlicher Hilfe durchziehen die Ausstellung wie ein roter Faden. Im Zentrum steht die enge Zusammenarbeit mit FINT*-Künstler:innen. Das Projekt versteht sich als Raum gegenseitiger Unterstützung und schafft ein Netzwerk, in dem künstlerische und solidarische Verbindungen gestärkt werden. Durch das gemeinsame Arbeiten entstehen neue berufliche Kontakte, langfristige Beziehungen und Perspektiven, die über das Projekt hinausreichen.

Ein vielseitiges Rahmenprogramm mit Workshops, Lesungen und Gesprächsformaten schafft ergänzend Räume des Austauschs. Hier begegnen sich Künstler:innen und Besuchende, teilen Erfahrungen, entwickeln gemeinsame Strategien und vernetzen sich jenseits disziplinärer oder institutioneller Grenzen.

Die Ausstellung fight or flight II wird laut, schafft Sichtbarkeit und legt vermeintliche Tabus offen. In einer Zeit bröckelnder Förderstrukturen und wachsendem Druck auf die freie Szene setzt das Projekt ein kollektives Zeichen – gegen soziale und ökonomische Ungleichheit im Kunstfeld. Was bleibt? Sich zu verbünden – für Solidarität, neue Allianzen und eine gerechtere Kunstlandschaft.


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